B. Moralisten aus Frankreich (16.-18.Jahrhundert)



  1. Michel de Montaigne (1533-1592)

    1. Die meisten Menschen verziehen die Miene und sprechen lauter, wenn ihre Stärke nachlässt.

    2. Klugheit! Man sollte fragen, wer eine wertvollere, nicht, wer eine größere Gelehrsamkeit aufweisen kann.

    3. Jeder Mann weis aus Erfahrung, dass ununterbrochene Gegenwart bei weitem nicht das Vergnügen bereitet, das man bei wechselseitigem Scheiden und wieder Zusammenkommen empfindet.

  2. Francois Duc de La Rochefoucauld (1613-1680)

    1. Die wahre Tapferkeit besteht darin, dass man ohne Zeugen tut, was man vor den Augen aller Welt zu tun imstande wäre.

    2. Wir können uns unseren Mutes nicht sicher sein, solange wir uns nicht in Gefahr befunden haben.

    3. Man kann schlauer sein als ein anderer, aber nie schlauer als alle anderen.

    4. Das beste Mittel, um getäuscht zu werden, ist, sich für schlauer zu halten als die anderen.

    5. Streitigkeiten würden nie lange dauern, wenn das Unrecht immer nur auf der einen Seite wäre.

    6. Es ist ebenso leicht, sich selbst zu täuschen, ohne dass man es merkt, wie es schwer ist, andere zu täuschen, ohne dass diese es merken.

    7. Wer mit sich selbst genug zu haben glaubt, so dass er auf alle andern verzichten könne, täuscht sich sehr; wer aber glaubt, daß man auf ihn nicht verzichten könne, täuscht sich noch mehr.

    8. Wie es der Charakter großer Geister ist, in wenig Worten viel zu sagen, so ist es die Gabe kleiner Geister, viel zu reden und nichts zu sagen.

    9. Es liegt nicht weniger Beredsamkeit im Ton der Stimme, im Auge und Blick als in der Wahl der Worte.

    10. Schwache Menschen können nicht aufrichtig sein.

    11. Mittelmäßige Geister verurteilen gewöhnlich alles, was über ihren Horizont geht.

    12. Es gibt Leute, die mit allen ihren Verdiensten abstoßend, und andere, die mit allen ihren Fehlern angenehm sind.

    13. Wer kein Narr ist, ist deshalb noch lange nicht so weise, wie er glaubt.

    14. Man verachte nicht alle, die Laster haben, wohl aber alle, die nicht eine einzige Tugend haben.

    15. So blendend eine Tat auch sein mag, für groß darf sie nur gelten, wenn sie die Folge einer großen Absicht ist.

    16. Nur wenige Menschen sind klug genug, hilfreichen Tadel nichts sagendem Lob vorzuziehen.

    17. Man erteilt der Klugheit alles erdenkliche Lob; dennoch vermag sie uns nicht vor dem geringsten Zufall zu sichern.

    18. Die lästigen Dummköpfe sind die, welche Witz haben. Oder: Es gibt keine beschwerlicheren Dummköpfe als die witzigen.

    19. In unserem Geiste steckt mehr Faulheit als in unserem Körper.

    20. Man entsagt leichter seinem Vorteil als seiner Neigung.

    21. Das echte Kennzeichen einer edel geborenen Natur ist die Neidlosigkeit.

    22. Die Hoffnung, so trügerisch sie auch sei, dient doch wenigstens dazu, uns auf anmutigen Pfaden ans Ende des Lebens zu führen.

    23. Kleine Fehler geben wir gern zu, um den Eindruck zu erwecken, wir hätten keine große

    24. Heuchelei ist eine Huldigung, welche das Laster der Tugend darbringt.

    25. Nichts hindert uns mehr, natürlich zu sein, als das Bestreben, so zu erscheinen.

    26. Man sollte einen Menschen nicht nach seinen Vorzügen beurteilen, sondern nach dem Gebrauch, den er davon macht.

    27. Die Greise geben gern gute Lehren, um sich darüber zu trösten, dass sie nicht mehr imstande sind, schlechte Beispiele zu geben.

    28. Mit dem Alter nimmt man an Torheit und Weisheit zu.

    29. Wenn wir unseren Leidenschaften widerstehen, ist das eher das Verdienst ihrer Schwächen als unserer eigenen Stärke.

    30. Wer ohne jede Narrheit lebt, ist weniger weise als er glaubt.

    31. Wir sind nicht stark genug, um unserer Einsicht ganz zu folgen.

    32. Die Natur gibt einem Menschen die Fähigkeit, und das Glück bringt sie zur Wirkung.

  3. La Bruye`re (1645-1696)

    1. An der Enthüllung eines Geheimnisses ist stets der schuld, der es jemandem anvertraut hat.

    2. Es ist schwer zu entscheiden, ob der Mensch durch Unentschlossenheit eher unglücklich oder verachtenswert wird. Und ebenso, ob notwendig mehr Nachteile daraus entspringen, einen schlechten Entschluss zu fassen als gar keinen.

    3. Falsche Bescheidenheit ist die ausgeklügelste Form der Eitelkeit.

    4. Jede Stunde ist einmalig an sich wie in Rücksicht auf uns; ist sie verflossen, so ist sie für immer dahin; selbst Millionen von Jahrhunderten führen sie nicht wieder herauf.

  4. Charles de Secondat, Baron de Montesquieu (1689-1755)

    1. Wie schade, dass so wenig Raum ist zwischen der Zeit, wo man zu jung, und der, wo man zu alt ist.

    2. Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, ist es notwendig, kein Gesetz zu erlassen.

    3. Eine Sache ist nicht gerecht, weil sie Gesetz ist, sondern soll Gesetz sein, weil sie gerecht ist.

  5. Chamfort

    1. Der verlorenste aller Tage ist der, an dem man nicht gelacht hat.

    2. In der Ehe muss man wenigstens zueinander passende Fehler haben.