U. Meine Lieblingsgedichte und -Lieder



  1. Etwas fürchten und hoffen und sorgen/ muss der Mensch für den kommenden Morgen,/ dass er das Schwere des Daseins ertrage/ und das ermüdende Gleichmaß der Tage,/ und mit erfrischenden Windesweben/ kräuselnd bewege das stockende Leben.

  2. Es reden und träumen die Menschen viel

von bessern künftigen Tagen,

nach einem glücklichen goldenen Ziel

sieht man sie rennen und jagen;

die Welt wird alt und wird wieder jung,

doch der Mensch hofft immer Verbesserung.



Die Hoffnung führt ihn ins Leben ein,

sie umflattert den fröhlichen Knaben,

den Jüngling locket ihr Zauberschein,

sie wird mit dem Greis nicht begraben;

denn beschließt er im Grabe den müden Lauf,

noch am Grabe pflanzt er – die Hoffnung auf.



Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn,

erzeugt im Hirne des Toren,

im Herzen kündet es laut sich an:

zu was Besserm sind wir geboren.

Und was die innere Stimme spricht,

das täuscht die hoffende Seele nicht.



  1. Des Lebens Ängste, er wirft sie weg,

hat nicht mehr zu fürchten, zu sorgen,

er reitet dem Schicksal entgegen keck,

trifft´s heute nicht, trifft es doch morgen.

Und trifft es morgen, so lasset uns heut

Noch schlürfen die Neige der köstlichen Zeit. ( 1.-3. von Friedrich von Schiller)



  1. Geh! Gehorche meinen Winken,/ nutze deine jungen Tage,/ lerne zeitig klüger sein!/ Auf des Glückes großer Waage/ steht die Zunge selten ein:/ Du musst steigen oder sinken,/ du musst herrschen und gewinnen,/ oder dienen und verlieren,/ leiden oder triumphieren,/ Amboss oder Hammer sein. (Johann Wolfgang v. Goethe)

  2. Gut verloren-. etwas verloren!/ Musst rasch dich besinnen und neues gewinnen./ Ehre verloren-. viel verloren!/ Musst Ruhm gewinnen, dann werden die Leute sich anders besinnen,/ Mut verloren-. alles verloren!/ Da wäre es besser, nicht geboren. (Goethe)

  3. Herz, mein Herz, sei nicht beklommen/ und ertrage dein Geschick./ Neuer Frühling gibt zurück,/ was der Winter dir genommen./ Und wie viel ist dir geblieben!/ Und wie schön ist doch die Welt!/ Und, mein Herz, was dir gefällt,/ alles, alles darfst du lieben. (Heinrich Heine)

  4. Wie die Nelken duftig atmen!/ Wie die Sterne, ein Gewimmel goldner Bienen, ängstlich schimmern/ an dem veilchenblauen Himmel!/ Aus dem Dunkel der Kastanien glänzt das Landhaus, weiß und lüstern,/ und ich hör die Glastür klirren und die liebe Stimme flüstern./ Holdes Zittern, süßes Beben, furchtsam zärtliches Umschlingen -/ und die jungen Rosen lauschen, und die Nachtigallen singen. (Heine)

  5. Das Glück ist eine leichte Dirne/ und weilt nicht gern am selben Ort./ Sie streicht das Haar dir aus der Stirne/ und küsst dich rasch und flattert fort. Frau Unglück aber hat im Gegenteile/ dich liebevoll ans Herz gedrückt./ Sie sagt, sie habe keine Eile,/ setzt sich zu dir ans Bett und strickt. (Heine)

  6. Der beste Mensch wird manchmal zornig,/ kein Liebespaar kann immer kosen./ Die schönsten Rosen selbst sind dornig,/

doch schlimm sind Dornen ohne Rosen. (Friedrich von Bodenstedt)



  1. Sieben Rosen hat der Strauch,/ sechs gehör´n dem Wind./ Aber eine bleibt, dass auch/ ich noch eine find./ Sieben Male ruf ich dich,/ sechsmal bleibe fort./ Doch beim siebten Mal, versprich,/ komme auf mein Wort. (Bertold Brecht)



  1. Erinnerung an die Marie A.

    An jenem Tag im blauen Mond September/ still unter einem jungen Pflaumenbaum,

    da hielt ich sie, die stille bleiche Liebe/ in meinem Arm wie einen holden Traum.

    Und über uns im schönen Sommerhimmel/ war eine Wolke, die ich lange sah.

    Sie war sehr weiß und ungeheuer oben,/ und als ich aufsah, war sie nimmer da.

    Seit jenem Tag sind viele, viele Monde/ geschwommen still hinunter und vorbei.

    Die Pflaumenbäume sind wohl abgehauen,/ und fragst du mich, was mit der Liebe sei?

    So sag ich dir: Ich kann mich nicht erinnern./ und doch, gewiss, ich weiß schon, was du meinst.

    Doch ihr Gesicht, das weiß ich wirklich nimmer./ Ich weiß nur mehr: Ich küsste es dereinst.

    Und auch den Kuss, ich hätt ihn längst vergessen,/ wenn nicht die Wolke da gewesen wär.

    Die weiß ich noch und werd sie immer wissen./ Sie war sehr weiß und kam von oben her.

    Die Pflaumenbäume blühn vielleicht noch immer,/ und jene Frau hat jetzt vielleicht das siebte Kind.

    Doch jene Wolke blühte nur Minuten,/ und als ich aufsah, schwand sie schon im Wind. (Bertold Brecht)



  1. Bewaffneter Friede – Ganz unverhofft an einem Hügel/ sind sich begegnet Fuchs und Igel./ Halt, rief der Fuchs, du Bösewicht!/ Kennst du des Königs Order nicht?/ Ist nicht der Friede längst verkündigt,/ und weißt du nicht, daß jeder sündigt,/ der immer noch gerüstet geht?/ Im Namen seiner Majestät,/ geh her und übergib dein Fell./ Der Igel sprach: Nur nicht so schnell,/ lass dir erst deine Zähne brechen,/ dann wollen wir uns weiter sprechen!/ Und allsogleich macht er sich rund,/ schließt seinen dichten Stachelbund/ und trotzt getrost der ganzen Welt/ bewaffnet, doch als Friedensheld. (Wilhelm Busch)



  1. Es sitzt ein Vogel auf dem Leim,/ er flattert sehr und kann nicht heim./ Ein schwarzer Kater schleicht herzu,/ die Krallen scharf, die Augen gluh,/ am Baum hinauf und immer höher/ kommt er dem armen Vogel näher./ Der Vogel denkt: Weil das so ist/ und weil mich doch der Kater frisst,/ so will ich keine Zeit verlieren,/ will noch ein wenig quinquillieren/ und lustig pfeifen wie zuvor./ Der Vogel, scheint mir, hat Humor. (Wilhelm Busch)



  1. Die Selbstkritik hat viel für sich./ Gesetzt den Fall, ich tadle mich,/ so hab ich erstens den Gewinn,/ daß ich so hübsch bescheiden bin;/ zum zweiten denken sich die Leut,/ der Mann ist lauter Redlichkeit;/ auch schnapp ich drittens diesen Bissen/ vorweg den ander´n Kritiküssen;/ und viertens hoff ich außerdem/ auf Widerspruch, der mir genehm./ So kommt es denn zuletzt heraus,/ dass ich ein ganz famoses Haus. (Wilhelm Busch)



  1. Sei mir nur nicht gar zu traurig,/ dass die schöne Zeit entflieht./ Dass die Welle kühl und schaurig/ uns in ihre Wirbel zieht./ Dass des Herzens süße Regung,/dass der Liebe Hochgenus,/ jene himmlische Bewegung,/ sich zur Ruh begeben muss./ Lasst uns lieben, singen, trinken,/ und wir pfeifen auf die Zeit;/ selbst ein leises Augenwinken/ zuckt durch alle Ewigkeit. (Wilhelm Busch)

  2. Erster Frühlingstag (Elli Michler)

-- Ich geh´ so gern zu alten Bäumen.

Wo ich sie grünend finden mag,

erweckt den Park aus seinen Träumen

der allererste Frühlingstag.



-- Ich geh´ so gern zu alten Bänken

Und sitze dort für mich allein

und kann mir oftmals gar nicht denken:

Schon wieder soll es Frühling sein?



-- Ich geh´ so gern auf alten Wegen,

wenn´s wärmer wird und nicht mehr schneit.

Weshalb noch immer Zweifel hegen?

Ich mach´ mich gern noch mal bereit.



  1. Herbst / O du wunderschöner Herbst, wie du die Blätter golden färbst. Die Luft ist klar und rein und still, noch einmal ich

    mich freuen will. / Ich geh den Wald, den Weiher entlang, es schweigt das Leben, es schweigt Gesang, ich hemme den Schritt, ich hemme den Lauf, Erinnerungen ziehen herauf. / Erinnerungen sehen mich an, haben es wohl auch sonst getan. Nur eins hält nicht mehr damit Schritt: Lachende Zukunft geht nicht mehr mit. / Vergangenheit hält mich in ihrem Bann, Vergangenheit hat mir´s angetan. Den Blick in den Herbst, den hab ich frei, den Blick in den Herbst. Aber den Mai ? (Theodor Fontane)

  1. Die Frage bleibt

    Halte dich still, halte dich stumm, nur nicht forschen, warum? Warum?/ Nur nicht bittre Fragen tauschen, Antwort ist doch nur wie Meeresrauschen./ Wie´s dich auch aufzuhorchen treibt, das Dunkel, das Rätsel, die Frage bleibt.

    (Theodor Fontane)

  2. Du wirst es nie zu Tüchtigem bringen/ bei deines Grames Träumerei´n,/ die Tränen lassen nichts gelingen;/ wer schaffen will, muss fröhlich sein. (Theodor Fontane)

  3. Schon mischt sich Rot in der Blätter Grün,/ Reseden und Astern sind im Verblüh´n,/ die Trauben geschnitten, der Hafer gemäht,/ der Herbst ist das, das Jahr wird spät./ Und doch, ob Herbst auch, die Sonne glüht-/ weg drum mit Schwermut aus deinem Gemüt!/ Banne die Sorge, genieße was frommt,/ eh´ Stille, Schnee und Winter kommt. (Theodor Fontane)

  4. Schließe mir die Augen beide/ mit den lieben Händen zu./ Geht doch alles, was ich leide,/ unter deiner Hand zur Ruh./ Und wie leise sich der Schmerz/ Well um Welle schlafen leget,/ wie der letzte Schlag sich reget,/ füllest du mein ganzes Herz. (Theodor Storm)

  5. Über die HeideÜber die Heide hallet mein Schritt;/ dumpf aus der Erde wandert es mit./ Herbst ist gekommen, Frühling ist weit./ Gab es denn einmal selige Zeit?/ Brauende Nebel geistern umher;/ schwarz ist das Kraut und der Himmel so leer./ Wär ich hier nur nicht gegangen im Mai!/ Leben und Liebe – wie flog es vorbei! (Theodor Storm)

  1. So komme, was da kommen mag!/ solang du lebest, ist es Tag./ Und geht es in die Welt hinaus,/ wo du mir bist, bin ich zu Haus./ Ich sehe dein liebes Angesicht,/ ich seh die Schatten der Zukunft nicht. (Theodor Storm)

  1. Ein Blatt aus sommerlichen Tagen,/ ich nahm es so im Wandern mit,/ auf dass es einst mir möge sagen,/ wie laut die Nachtigall geschlagen,/ wie grün der Wald, den ich durchschritt. (Theodor Storm)

  2. Es war, als hätt´ der Himmel die Erde still geküsst,/ dass sie im Blütenschimmer von ihm nun träumen müsst´./ Die Luft ging durch die Felder, die Ähren wogten sacht,/ es rauschten leis die Wälder, so sternklar war die Nacht./ Und meine Seele spannte weit ihre Flügel aus,/ flog durch die stillen Lande, als flöge sie nach Haus. (Joseph von Eichendorff)

  3. Nur zu (Eduard Möricke)

    Schön prangt im Silbertau die junge Rose,

    den ihr der Morgen in den Busen rollte,

    sie blüht, als ob sie nie verblühen wollte,

    sie ahnet nichts vom letzten Blumenlose.



Der Adler strebt hinan ins Grenzenlose,

sein Auge trinkt sich voll von sprühndem Golde;

er ist der Tor nicht, dass er fragen sollte,

ob er das Haupt nicht an die Wölbung stoße.



Mag denn der Jugend Blume uns verbleichen,

noch glänzet sie und reizt unwiderstehlich;

Wer will zu früh so süßem Trug entsagen?

Und Liebe, darf sie nicht dem Adler gleichen?

Doch fürchtet sie; auch fürchten ist ihr selig,

denn all ihr Glück, was ist's? - ein endlos Wagen!



  1. Erste Liebe (Rose Nyland)



  1. Sommerbild



  1. Nur für den lieben Hans gedichtet (zu seinem 70. Geburtstag):

Siebzig Jahre tapfer leben, siebzig Jahre schaffen, streben.

Das ist Segen ohnegleichen, und nicht jeder kann’s erreichen.

Siebzig – diese Zaubersieben – ist ein Jahr, das muss man lieben.

Tu ins Märchen einen Blick: Sieben heißt dort immer Glück.

Sieben Geißlein, sieben Raben, sieben köstlich dicke Schwaben,

sieben aus dem Zwergenreich, sieben gar auf einen Streich.

Sieben Kräuter sind vonnöten, dass sich blasse Wangen röten.

Sieben Gifte man versenke in die Zauberliebestränke.

Auch schaut man sich im Altertum nach der Wunder sieben um.

Überall ist sie zu finden, Glück und Freude zu verkünden.

Mond- und Sonnenbahnen frage: Jede Woche sieben Tage,

Fünfundzwanzigtausend Tage – wie viel Lust und wie viel Plage?

Sechsmal hunderttausend Stunden – wie viel Freude, wie viel Wunden?

Siebzig Jahr – ein langes Leben – und nun heißt es weiter streben,

immer höher, immer weiter bis zur letzten Sprossenleiter.

Wann sie kommt, weiß Gott allein.

Mög´ er gnädig mit dir sein!

(aus dem Brief von Roman Ristau)



  1. Spar deinen Wein nicht auf bis morgen (Ein Lied von Gerhard Schöne, 1977)

Spar deinen Wein nicht auf bis morgen,

sind Freunde da, so schenke ein!

Leg, was du hast, in ihre Mitte.

Durchs Schenken wird man reich allein.



Spar nicht mit deinen guten Worten.

Wo man was totschweigt, schweige nicht.

Und wo nur leeres Stroh gedroschen,

da hat dein gutes Wort Gewicht.



Spar deine Liebe nicht am Tage

Für paar Minuten in der Nacht.

Hol sie aus ihrer Dunkelkammer,

dann zeigt sie ihre Blütenpracht.



Spar deinen Mut nicht auf bis später,

wenn du mal „was ganz Großes“ bist.

Dein kleiner Mut hilft allen weiter,

weil täglich Mut vonnöten ist.



  1. Vielleicht wird.s nie wieder so schön (Ein Lied von Gerhard Schöne)

Ich denk noch manchmal an den Sonntag; ich war vielleicht 8 Jahre alt.

Ich ging mit Vater ins Museum, da drinnen war es hundekalt.

Er nahm mich unter seinen Mantel und sagte: „Komm, wir spiel’n Kamel!“

Wir stapften kichernd durch’s Museum. Die Aufsichtstanten guckten scheel.

An der verschneiten Haltestelle durft’ ich auf seinen Füßen steh’n.

Ich hielt mich fest und dachte: Vielleicht wird’s nie wieder so schön.



Bevor wir auseinander gingen fuhr uns´re Klasse noch einmal

in ein Barackenferienlager mit einem kleinen See im Tal.

Am letzten Abend ein Getuschel: „Wir treffen uns am See heut’ Nacht.“

Wir schlichen uns aus den Baracken, die Lehrer sind nicht aufgewacht.

Wir schwammen nackt ans and’re Ufer und hab’n uns schüchtern angeseh’n

Im weißen Mondlicht und ich dachte: Vielleicht wird’s nie wieder so schön.



Am Bahnhof lernte ich sie kennen. Sie hatten ihren Zug verpasst,

die sieben polnischen Studenten. Jetzt waren sie bei mir zu Gast.

Die Mädchen schmierten ein paar Brote, die Jungen haben Wein besorgt,

und ich hab mir bei meinem Nachbarn n’ Stapel Decken ausgeborgt.

Wir sangen „Dona nobis pacem“, „Give peace a chance“ und „Penny lane“.

Als wir uns früh umarmten dacht’ ich: Vielleicht wird’s nie wieder so schön.



Damals im Zelt mit meiner Freundin, die erste Nacht mit ihr allein.

Wir wagten nicht uns auszuzieh’n und krochen in den Schlafsack rein.

Wir schmiegten uns ganz aneinander. Ich hab nur ihr Gesicht berührt.

Als sie schon schlief hab ich noch immer ihr Atmen wie ein Glück gespürt.

Obwohl mir schon die Arme schmerzten, ich dacht nicht dran mich umzudreh’n.

Es wurde Morgen und ich dachte: Vielleicht wird’s nie wieder so schön.



Noch manchmal wenn wir uns umarmten, oft grundlos traurig, grundlos froh;

einmal als ich ein Mädchen hörte in einer Kirche irgendwo;

als wir klitschnass am Waldrand hockten und ein Regenbogen stand,

und wenn ich Menschen plötzlich mochte, die ich zuvor noch nicht gekannt;

wenn ich’s vor Heimweh nicht mehr aushielt, fuhr nachts zurück, um dich zu seh’n,

in vielen Augenblicken dacht’ ich: Vielleicht wird’s nie wieder so schön.



  1. Die Suche ist nie zu Ende (Ein Lied von Adamo)

Sie hat ihm nur gesagt: „Die Welt wartet auf dich“.

Und das macht ihn verlegen, er lässt sie in Stich.

Sie will Liebe für immer, doch das ist zu viel,

denn er ist unterwegs und noch lang nicht am Ziel.

Die Suche ist nie zu Ende.



Denn wer einmal gewinnt, der will nie mehr verlier´n.

Wer den Wipfel erreicht, will die Wolken berühr´n.

Ist ein Wunsch erst mal wahr, ist er nicht mehr viel Wert.

Ist ein Traum erst erfüllt, ist er bereits zerstört.

Die Suche ist nie zu Ende.



Denn man sucht immer das, was man nur schwer erreicht,

und es macht keinen Spaß ist es einfach zu leicht.

Wunder sind so banal, wenn sie wirklich gescheh´n.

Uns bleibt gar keine Wahl, als stets weiter zu geh´n.

Die Suche ist nie zu Ende.



Nur ein Schlitten im Schnee, den die Welt nicht entdeckt.

Mister Citizen Kane hat ihn sorgsam versteckt.

Seine Macht und sein Geld interessieren ihn kaum,

denn er sucht nur nach seinem verlorenen Traum.

Die Suche ist nie zu Ende.



Denn die Unruhigen sind nirgendwo hier zu Haus.

Wie die Vögel im Wind woll´n sie höher hinaus.

Bis zur Sonne hinauf steigen sie, um zu glüh´n,

und sie nehmen in Kauf, dass die Flügel verglüh´n.

Die Suche ist niemals zu Ende.



Denn man liebt immer das, was man nicht ganz erkennt.

Man bekennt immer das, was uns von etwas trennt,

und man will an den Ort, den man bisher nie sah;

aber ist man erst dort, bleibt man sicher nicht da.

Die Suche ist nie zu Ende.



  1. Zum Jahreswechsel

Bald trifft das Jahr der zwölfte Schlag.

Dann dröhnt das Erz und spricht:

„Das Jahr kennt seinen letzten Tag,

und du kennst deinen nicht.“

Es tickt die Zeit. Das Jahr dreht sich im Kreise.

Und werden kann nur, was schon immer war.

Geduld, mein Herz. Im Kreise geht die Reise.

Und dem Dezember folgt der Januar. (Erich Kästner)

  1. Mein erstes „Liebesgedicht“

Ich kann es dir nicht sagen, wie sehr ich dich verehr´.

Allein muss ich es tragen, fällt es auch noch so schwer.



In vielen stillen Stunden dein Bild ich vor mir sah.

Ich fühlte liebestrunken, dass du bist mir so nah.



Doch zwischen uns sind Schranken, die fallen nur sehr schwer.

Erst Wirklichkeit Gedanken, wie schön das alles wär'.



  1. Die Uhr

Ich trage, wo ich gehe, stets eine Uhr bei mir; wie viel es geschlagen habe, genau seh ich an ihr.

Es ist ein großer Meister, der künstlich ihr Werk gefügt, wenngleich ihr Gang nicht immer dem törichten Wunsche genügt.



Ich wollte, sie wäre rascher gegangen an manchem Tag; ich wollte, sie hätte manchmal verzögert den raschen Schlag.

In meinen Leiden und Freuden, im Sturm und in der Ruh, was immer geschah im Leben, sie pochte den Takt dazu.



Sie schlug am Sarge des Vaters, sie schlug an des Freundes Bahr, sie schlug am Morgen der Liebe, sie schlug am Traualtar.

Sie schlug an der Wiege des Kindes, sie schlägt, will´s Gott, noch oft, wenn bessere Tage kommen, wie meine Seele hofft.



Und ward sie auch einmal träge, und drohte zu stocken ihr Lauf, so zog der Meister immer großmütig sie wieder auf.

Doch stände sie einmal stille, dann wär´s um sie geschehn, kein andrer, als der sie fügte, bringt die Zerstörte zum Gehen.



Dann müsst´ ich zum Meister wandern, der wohnt am Ende wohl weit, wohl draußen, jenseits der Erde, wohl dort in der Ewigkeit!

Dann gäb ich sie ihm zurücke mit dankbar kindlichem Flehn: Sieh, Herr, ich hab nichts verdorben, sie blieb von selber stehn.

(Johann Gabriel Seidel, 1804-1875)



  1. Überwundener Tod

– So lass auch du vom Winter nicht verderben,/ was dir der Lenz einst gab: Schönheit und Kraft!/ Du musst ein Fläschchen von dem Wundersaft,/ der Erbgut hält wie Blumenduft, erwerben. . Der Weise weiß es: Einmal muss er sterben,/ doch vielmals lebt, wer neues Leben schafft./ Befreie dich aus der betrübten Haft/ einsamen Lebens: Schaffe einen Erben! . Nicht einen: zehn, dann wirst du zehnfach leben/ und zehnfach glücklicher als heute sein,/ denn selbst der Tod kann dir kein Ende geben,/ wenn Kinder knien an deinen Totenschrein. – Nicht lange trauern sie. Als Trost wird dienen:/ Du starbst nicht ganz, dein Bestes lebt –- in ihnen! (William Shakespeare)